Wer Franz Josef Strauß folgt, geht den europäischen Verteidigungsweg

Schon Franz Josef Strauß setzte sich für eine europäische Verteidigungsunion ein. Spätestens jetzt ist ihre Zeit gekommen.
Wer Franz Josef Strauß folgt, geht den europäischen Verteidigungsweg
Wer Franz Josef Strauß folgt, geht den europäischen Verteidigungsweg

„Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft.“ Als Franz Josef Strauß als junger CSU-Generalsekretär und CSU-Landesgruppenvorsitzender die politische Bühne in Bonn betrat, profilierte er sich rasch in der Verteidigungspolitik – ein entscheidendes, aber damals nicht gerade populäres Politikfeld. Der Krieg war erst vorbei, die Innenstädte kriegsverwüstet und fast jede Familie hatte Vater, Bruder oder auch Sohn verloren. Militärisches Denken war verpönt, aber eine Verteidigungsstrategie notwendig. Stalin setzte Europas Freiheit unter Druck. Für den großen Rhetor Strauß war klar: Entscheidend ist auf was es ankommt: eine europäische Verteidigungsunion.

Nur wenn Europa zusammensteht, seine Kräfte bündelt und  gemeinsam mit den USA handelt, könnte es dem sowjetischen Diktator die Stirn bieten. Dafür war eine ambitionierte Politik für ein „Mehr“ an Europa notwendig.

„Liberal und Konservativ“ bedeutete für die CSU stets seit ihrer Gründung, im Gegensatz zur Bayernpartei, weder in reiner Folklore noch in alten Ressentiments zu verharren, sondern an der Spitze des Fortschritts zu stehen. Bereits in den 1950er Jahren – nicht einmal zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – trat Strauß für die Vereinigten Staaten von Europa ein. Für die CSU war und ist Europa kein funktionales Gebilde, sondern eine wertebasierte Schicksalsgemeinschaft. Europa ist mehr als die Summe der nationalen Eigeninteressen. Wir als CSUler lieben unsere Heimat, sind deutsche Patrioten, aber eben auch überzeugte Europäer. Alles drei passt perfekt zusammen.

Strauß erkannte bereits zu Beginn der europäischen Einigung, dass das gemeinsame Haus aus dem Dreisatz einer gemeinsamen Energie-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik bestehen müsse. Sein Eintreten für eine europäische Armee – integriert im transatlantischen Bündnis – war folgerichtig. Noch in seinen Dreißigern entwickelte sich Strauß zum profiliertesten Bundestagsredner für eine Europäische Verteidigungsunion – gegen den erklärten sozialdemokratischen Widerstand und liberales Zögern.

CDU und CSU setzten in der Hochphase des Kalten Krieges eine „Zeitenwende“ durch. Das gilt für uns auch heute! In der turbulenten Welt kann Europa seine Interessen nur global vertreten, wenn es Dank eines wirklichen europäischen Außenministers mit einer Stimme spricht. Daher muss das Einstimmigkeitsprinzip in der Außen- und Sicherheitspolitik endlich fallen. Aber ein solch kraftvoller Außenminister ist realpolitisch nackt, wenn seine Diplomatie nicht auf eine wirkungsvolle Verteidigungsunion fußt. Auch die Putins und Xis von heute lassen sich nicht von wohlfeilen Worten beeindrucken. Daher gehen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Hand in Hand. Wir brauchen einen europäischen Pfeiler der Verteidigung, ergänzend zur NATO. Eine gemeinsame Beschaffung muss nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch die Einsatzbereitschaft unbedingt verbessern.

Wir erleben gerade bei der fehlenden Einsatzbereitschaft von Panzern, fehlender Munition sowie veralteten Kampfjets, dass der Grundsatz – die beste Verteidigung müsse in nationalen Händen liegen – eine Mär ist. Die nationalen Sicherheitsstrategien haben an globaler Perspektive und militärischer Schlagkraft verloren. Bereits der Syrienkonflikt hat gezeigt: Die Europäer können ihren Hinterhof nicht sichern und sind auf die Hilfe der Amerikaner angewiesen. Die USA sind aber nicht zuletzt aufgrund der chinesischen Herausforderung immer weniger bereit, der Lückenfüller für europäische Versäumnisse zu sein.

Wir brauchen endlich eine langfristige Strategie für eine europäische Militärindustrie und für gemeinsame Militäreinheiten, die uns zur gemeinsamen Beschaffung und Erhalt zwingen. Davon würde Bayern nicht nur sicherheitspolitisch profitieren, sondern auch im Hinblick auf seine Wirtschafts- und Innovationskraft. Darüber hinaus müssen wir mit gemeinsamen Regeln zum Rüstungsexport unsere militärisch-technologischen Fähigkeiten stärken.

Letztlich müssen wir Schritt für Schritt eine europäische Armee aufbauen. Europäisch müssen wir das anpacken, was erwiesenermaßen national nicht mehr geleistet werden kann. Beispielsweise brauchen wir eine gemeinsame Cyber-Abwehr-Brigade. Und Europa darf auch nicht vor ambitionierten Zielen, wie dem Aufbau eines gemeinsamen Raketen-Abwehrschirms, zurückschrecken. Die Zeiten sind zu ernst für nationale Eitelkeiten, aber auch für Denkverbote: Gemeinsam mit unseren französischen Freunden müssen alle Europäer eine gemeinsame nukleare Abschreckungsstrategie sicherstellen. Gehen wir den europäischen Weg! Wenn nicht jetzt, wann dann sollten wir eine europäische Verteidigungsstrategie verwirklichen? Eine EVU II, eine Europäische Verteidigungsunion, 70 Jahre nach ihrem Scheitern 1954 ist heute das Gebot der Stunde.

Dr. Theo Waigel ist Bundesminister a.D.; Manfred Weber ist EVP-Partei- und Fraktionsvorsitzender und Stellv. CSU-Parteivorsitzender

 

Dieser Gastbeitrag erschien zuerst im Münchner Merkur am 16. Februar 2023. Lesen Sie hier mehr zum Thema Verteidigungsunion.

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