Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, drängt im Interview mit FOCUS auf Gespräche über die Integration der französischen Atomstreitkräfte in die europäische Sicherheitsarchitektur. Zugleich plädiert er für eine verstärkte Beschaffung von Artillerie-Munition für die Ukraine, auch bei US-Herstellern.
„Es muss jetzt über einen Atomschutzschirm und darüber, wie die französischen Nuklearstreitkräfte in die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur eingebunden werden können, diskutiert werden“
Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, endlich Gespräche über eine Ausweitung des französischen Atomschutzschirms auf Europa aufzunehmen. Es müsse „jetzt diskutiert werden, wie die französischen Nuklearstreitkräfte in die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur eingebunden werden können“, sagte Weber kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz MSC (16. bis 18. Februar) gegenüber FOCUS.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte auf der MSC im vergangenen Jahr sein Angebot auf eine mögliche Einbindung der französischen Atomstreitkräfte in eine künftige europäische Sicherheitsarchitektur erneuert.
Zugleich sprach sich Weber gegenüber FOCUS dafür aus, dass die EU Artillerie-Munition für die Ukraine auch bei US-Herstellern einkauft. Schon jetzt gilt die Versorgungslage bei Munition des Nato-Standard-Kalibers 155 in der Ukraine extrem angespannt. Der Nachschub aus Europa kommt nur schleppend. Zudem hängt ein 60-Milliarden-Dollar schweres US-Hilfspaket jetzt im Repräsentantenhaus fest. US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump stemmt sich mit aller Macht gegen eine Freigabe der Mittel. Sollte er sich damit in seiner Partei durchsetzen, könnte sich die ohnehin angespannte Versorgungslage der Ukraine dramatisch zuspitzen.
FOCUS: Herr Weber, in den USA könnte es mit den US-Präsidentschaftswahlen im November zu einer historischen Wende in der US-Außenpolitik kommen. Braucht Europa jetzt einen gemeinsamen europäischen Atom-Schirm, evtl. auch unter dem Dach der EU?
Manfred Weber: Klar ist, dass eine glaubhafte Abschreckung notwendig ist, zu der auch die nukleare Abschreckung gehört. Dabei setzen wir auf die transatlantische Partnerschaft. Zusätzlich hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anderen europäischen Staaten einen Dialog über die Rolle der französischen Nuklearstreitkräfte für Europa angeboten. Dieses Angebot muss Olaf Scholz annehmen. Wie die französischen Nuklearstreitkräfte in die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur eingebunden werden können, muss jetzt diskutiert werden. Unser oberstes Ziel ist und bleibt, Frieden in Europa zu sichern.
„Unser oberstes Ziel ist und bleibt, Frieden in Europa zu sichern“
FOCUS: Sollte Deutschland dazu auch eigenes Nuklear-Know-how aufbauen?
Manfred Weber: Als größtes EU-Land muss Deutschland deutlich mehr zum europäischen Pfeiler der NATO und zur europäischen Verteidigung beitragen. Dafür ist aber kein eigenes Nuklear-Know-how notwendig.
FOCUS: Das Sondervermögen für die Bundeswehr dürfte spätestens 2028 aufgebraucht sein. Braucht Deutschland ein neues Sondervermögen oder setzen Sie auf eine deutliche Ausweitung des Verteidigungsetats?
Manfred Weber: Angesichts der grundlegenden Bedrohung durch Putin-Russland und der Notwendigkeit einer eigenständigen Verteidigung Europas, müssen die Verteidigungsausgaben der EU-Staaten deutlich und langfristig angehoben werden. Es kommt auf das Ergebnis an. Der Weg dorthin muss innenpolitisch debattiert werden.
„Europa muss seine Munitions-Produktion massiv nach oben fahren. Die Ukraine braucht die Unterstützung jetzt, es geht um Menschenleben.“
FOCUS: Der Ukraine mangelt es vor allem an Artillerie-Munition. Sollte Brüssel in den USA Munition für die Ukraine aus EU-Mitteln beschaffen?
Manfred Weber: Europa muss seine Munitions-Produktion massiv nach oben fahren. Europas Unterstützung für die Ukraine wird ebenfalls ausgebaut werden müssen. Die Form der Unterstützung wird dabei variieren. Die Ukraine braucht die Unterstützung jetzt, es geht um Menschenleben. Deshalb sollten die EU-Staaten Munition überall dort beschaffen, wo sie verfügbar ist.