Interview zur Russlandkrise

Putin bricht nun offen das Völkerrecht. Es werden in Europa wieder Landesgrenzen verschoben und damit die Souveränität von Staaten in Frage gestellt. Das war ein historischer und einschneidender Tag. Wir sind wach geworden in einem neuen Europa. Wir wollen Frieden und Stabilität und müssen deshalb Stärke, Einheit und Geschlossenheit zeigen. Merkur-Interview zur Russlandkrise

München – Manfred Weber (CSU), Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, ist auf Reisen. In Litauen sprach er am Dienstag mit den Bundeswehrsoldaten, die den Osten der Nato beschützen. Eine Reise nach Kiew am Montag wurde kurzfristig abgesagt – aus Sicherheitsgründen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber hatte schon im Dezember im Merkur-Interview eindringlich vor dem russischen Aufmarsch gewarnt. Jetzt fordert er schärfere Sanktionen: „Wir brauchen nun harte Botschaften direkt nach Moskau.“

Putin schafft Fakten. Was ist jetzt zu tun?

Manfred Weber (CSU), Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament: Wir müssen uns erst einmal die Dimension der Herausforderung bewusst machen. Putin bricht nun offen das Völkerrecht. Es werden in Europa wieder Landesgrenzen verschoben und damit die Souveränität von Staaten infrage gestellt. Das ist ein historischer und einschneidender Tag. Wir sind wach geworden in einem neuen Europa.

Und jetzt?

Weber: Wir wollen Frieden und Stabilität und müssen deshalb Stärke, Einheit und Geschlossenheit zeigen. Die erste Runde an Sanktionen wird auf den Weg gebracht. Und ich begrüße ausdrücklich die Entscheidung der Bundesregierung zu Nord Stream 2.

Die Pipeline ist auf Eis gelegt. Bedeutet das ein endgültiges Aus?

Weber: Wenn Putin als normaler Partner zurückkäme, könnten wir über vieles reden. Aber derzeit gibt es eben ein extrem aggressives und Völkerrecht brechendes Verhalten. Deshalb war die Entscheidung überfällig.

Die europäischen Partner haben darauf gewartet.

Weber: Nord Stream 2 hing zuletzt wie ein echter Mühlstein an der Bundesregierung. Die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit wurde angezweifelt. Umso wichtiger ist deshalb jetzt dieses Signal. Aber es bleiben andere Fragen

Welche?

Weber: Wie geht es mit den Sanktionen weiter? Der erste Schritt geht in die richtige Richtung. Die EU verhängt für den Donbass wirtschaftliche Sanktionen, sie verlängert auch die Liste der Personen, die individuell Ziel von Sanktionen sind. Aber aus meiner Sicht reicht das nicht. Putin hat eine rote Linie überschritten. Wir brauchen nun harte Botschaften direkt nach Moskau.

Bislang hat sich Putin aber durch Sanktionsdrohungen nicht abschrecken lassen.

Weber: Wenn der Westen entschlossen ist, wird das Wirkung zeigen. Russland ist auf uns wirtschaftlich angewiesen. Es geht um drei Blöcke: Erstens der Energiesektor, der mit Nord Stream 2 nun schon mal ein klares Signal bekommt. Das zweite ist der Ausschluss russischer Banken aus dem westlichen Finanzsystem. Und der dritte Bereich ist der Ausschluss Russlands aus der Hochtechnologie, was den Militärbereich trifft. Das sind scharfe Schwerter, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Wenn wir Putin nicht stoppen, wird er weitermachen.

Was heißt das militärisch?

Weber: Es gibt in der jetzigen Situation für die Nato und uns Europäer keine militärische Option. Das ist ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, die kein Mitglied der Nato ist. Aber wir zeigen Solidarität mit diesen wirtschaftlichen Maßnahmen.

Sie besuchen deutsche Truppen in Litauen. Besteht die Gefahr, dass wir bald einen Krieg in Europa sehen, bei dem deutsche Soldaten kämpfen?

Weber: Das gilt es unter allen Umständen zu verhindern. Klar ist: Wir brauchen ein starkes Bekenntnis zu den Nato-Prinzipien. Wir Bayern und Deutsche können den Konflikt in der Ukraine nur deshalb so ruhig verfolgen, weil wir unter dem Schutzschirm der Nato stehen. Aber wir müssen dringend auch europaweite Strukturen für unsere Sicherheit schaffen. Europa muss da endlich aufwachen!

Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Weber: Ich fand es beachtlich, wie sich China bei der Sicherheitskonferenz verhalten hat. Der Außenminister hat sich zur Souveränität der Staaten bekannt und eine differenzierte Haltung eingenommen. Das war wichtig, damit nicht nur die Bilder von Xi und Putin bei der Eröffnung der Olympischen Spiele im Gedächtnis bleiben.

 

Das Interview erschien zunächst am 23.02.2022 im Münchner Merkur. Mehr zur Russlandkrise lesen Sie hier.
Nach oben scrollen